Unter dem Titel „Der Islam, die Moderne und der Knackpunkt der Freiheit – ein Dialog“ fand im Mai letzten Jahres ein Villa-Abend mit dem Schriftsteller, Journalisten und Übersetzer Rachid Boutayeb sowie Markus Kneer, Lehrbeauftragter für Islamwissenschaft an der PTH Münster, statt. Es ging um ein Werk von Mohamed Aziz Lahbabi, den Begründer der modernen marokkanischen Philosophie. Dazu ist nun eine Übersetzung mit Kommentar von Markus Kneer erschienen.
Im Jahr 1956, zeitgleich mit der Unabhängigkeit Marokkos, erscheint das Buch »Liberté ou libération? – Freiheit oder Befreiung?« des jungen Philosophen Mohamed Aziz Lahbabi (1923–1993), der als erster Marokkaner den Doctorat ès-Lettres der Sorbonne erlangt. Der Schwerpunkt der Schrift liegt, anders als es der damalige Zeitgeist vermuten lassen könnte, nicht auf der Befreiung der Nation, sondern auf der Befreiung der menschlichen Person – zugleich vom politisch-kulturellen Kolonialismus Europas wie vom traditionellen Patriarchalismus der marokkanischen Gesellschaft. In Auseinandersetzung mit der französischen Philosophie der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt Lahbabi eine Philosophie der Freiheit, die den bisher in autokratischen Strukturen lebenden Menschen einen Weg in ein selbstbestimmtes Leben zeigen will. Zugleich kritisiert er einen in Absolutheit gesetzten westlichen Freiheitsbegriff, der den sozialen, politischen und kulturellen Lebenskontext außer Acht lasse.
Mohamed Aziz Lahbabi bekleidet seit 1959 als erster marokkanischer Universitätsprofessor den Lehrstuhl für Philosophie an der neu gegründeten Universität Mohammed V in Rabat. Ende der 1980er Jahre wird er für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen. Dieses Buch gehört zu den Gründungstexten der modernen marokkanischen Philosophie und hat in seiner Fragestellung bis heute richtungsweisenden Charakter.
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