Am 8. Dezember 2016 erlebte die PTH Münster einen weiteren spannenden Dies Academicus. Der Studientag widmete sich in diesem Jahr dem Thema „Evangelisation und Spiritualität“. In welchem Verhältnis steht die Verkündigung des Evangeliums, die Weitergabe des Glaubens zu dem, was wir Spiritualität nennen?
Eine solide Grundlegung mit ökumenischem Horizont bot zum Ausgangspunkt Prof. Dr. Johannes Zimmermann, Universität Greifswald, der aus lutherischer Perspektive Spiritualität als Grundlage, Mittel und Ziel von Evangelisation skizzierte. Bei seiner Feststellung, dass auch die Christuserkenntnis nicht dem freien Willen des Menschen entspringe, sondern ein Schöpferakt Gottes sei, wurde der protestantische Akzent deutlich.
Elisabeth Neuhaus berichtete über praktische Erfahrungen aus dem Bistum Dresden-Meißen. Das vor dem Hintergrund der DDR-Vergangenheit zu verstehende Kirchenmodell, so lange wie möglich am Bewährten festzuhalten, wird konfrontiert mit dem Bestreben, eine Versorgung im Mangel gewährleisten zu können, aber auch mit einem Modell der Umorientierung, das neue, unbekannte Wege betreten möchte. Konflikte bleiben dabei nicht aus. Am Ende stand eine geistliche Vision: Es gilt Räume der Freiheit zu eröffnen. Nicht auf das Was, sondern das Wie eines demütigen, beziehungsgestützten Glaubens kommt es an, vgl. Mt 9,29: „Wie ihr geglaubt habt, so soll euch geschehen“.
In einem packenden Vortrag „Jenseits von Dogma und Moral? Evangelisierung in postsäkularen Kontexten“ analysierte Prof. Dr. Hans-Joachim Höhn, Universität zu Köln, mit intellektueller Brillanz Phänomene zeitgenössischer Religiosität zwischen Säkularisierungsresistenz und mangelnder Modernitätskompatibilität. Ob Kirche, wenn sie sich allzu sehr auf die Megatrends von Individualisierung, Ästhetisierung und Erlebnisorientierung einlässt, nicht den Zumutungen des Evangeliums ausweicht – fragte sich Höhn am Ende in ehrlichem Selbstzweifel.
Unter dem Titel „Geht doch! Evangelisation zwischen gefühltem Mangel und neuem Reichtum“ entfaltete Dr. Christian Hennecke (Bistum Hildesheim) in vielen Facetten und Beispielen, dass es den Blick nicht auf die Defizite, sondern das „Gottvolle“ zu richten gilt. Dabei kommt es auf jeden Einzelnen an, denn „Priester haben die Kirche noch nie erneuert“.
Für den öffentlichen Vortrag am Abend ging die Hochschule im Rahmen des Actus academicus ein Wagnis ein. Dr. Johannes Hartl, Gründer des Gebetshauses Augsburg hielt einen bewusst unakademischen, charismatischen Vortrag zum „Geheimnis wahrer Effektivität. Fruchtbares Christsein im 21. Jahrhundert“, der dem europäischen Christentum seine müde Fruchtlosigkeit vorhielt. Dass Hartl die Provokation gelang, zeigte sich an den konträren Reaktionen zwischen begeisterter Zustimmung und beklommenem Kopfschütteln.