Zeit-Management, Work Life-Balance und Freizeit sind brandaktuelle Themen, die gegen Stress, Burnout und digitale Omnipräsenz angeführt werden. Personalchefs, Gewerkschafter, aber auch Kirchenvertreter müssen allgemeine Erfordernisse und individuelle Bedürfnisse befriedigen: Nur zufriedene Mitarbeiter erbringen die erhoffte Leistung, nur überzeugte Arbeitgeber sind offen für alternative Beschäftigungsmodelle, die Work Life-Balance, Familienauszeiten und Sabbaticals zulassen. Für die Kirchen und die Gesellschaft wird dies existenziell: Sie leben davon, dass Gläubige Zeit und Muße finden, sich sozial und kirchlich zu engagieren. Hier setzt das Buch an: In Theologie und Spiritualität gibt es eine lange Tradition der Auseinandersetzung mit Freizeit und Muße. Das Buch der drei an der PTH Münster tätigen Professoren hebt diese Schätze und macht sie für das Leben heutiger Menschen fruchtbar.
Prof. Dr. Thomas Dienberg OFMCap beleuchtet den „Umgang mit der Zeit“ auf der Basis einer Theologie der Spiritualität. Zeit-Erleben heute ist sowohl digitalisiert und entgrenzt als auch be- und entschleunigt, wobei gerade Letzteres oftmals nur ein noch zu erreichendes Desiderat darstellt. Das Zeit-Erleben steht unter den Konditionen der Geschichte, denn der Mensch lebt mit der gottgeprägten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Dies gilt es nicht nur zu reflektieren, sondern auch zu konkretisieren.
Das Spannungsfeld „Arbeit, Muße, Langeweile“ – ein scheinbar unwirkliches Wechselverhältnis – wird seitens Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP sozialethisch debattiert. In der Sozialgeschichte hat sich die Einstellung zu Muße, Langeweile oder acedia verändert: Die anfänglichen Reserven gegenüber diesen menschlichen Grundeinstellungen, theologisch zeitweise als Todsünde betrachtet, lösen sich zunehmend auf in eine positiv gerichtete Gestaltung von freier Zeit, die nicht totgeschlagen, sondern im Sinne einer Zeitsouveränität gestaltet wird. Arbeit und Freizeit sind heutzutage weniger Antipoden als vielmehr Partner.
In systematisch-theologischer Hinsicht untersucht Prof. Dr. Ulrich Engel OP Dauer und Ende der Zeit. Seine Tiefenbohrungen im Anschluss an die Philosophen Walter Benjamin und Giorgio Agamben wollen der begrenzten (Lebens-)Zeit Positives abzugewinnen. Nur wo die Zeit theologisch als endlich gedacht und in diesem Sinne gelebt wird, gewinnt menschliches Leben Tiefe. Benjamin argumentiert mit der (säkularisierten) Figur des Messias. Agamben erkennt in den Texten des hl. Paulus einen qualitativ neuen Zeitbegriff, der die „Jetztzeit“ vom „Ende der Zeiten“ her zu deuten versucht.
Bibliographie: Thomas Dienberg / Thomas Eggensperger / Ulrich Engel, Zeit ohne Ewigkeit. Lebensgefühl und Last des gehetzten Menschen, Matthias Grünewald Verlag Ostfildern 22018, 124 S., geb., € 22,00, ISBN 978-3-7867-3093-4.