Wer am 15.10.2018 der Einladung zur Antrittsvorlesung von Rudolf B. Hein O.Praem. in das lauschige Chorgestühl der Kapuziner gefolgt ist, wird sich vermutlich über den Titel „Oikonomische Trialektik“ entweder gewundert oder geärgert haben. Aufgeblasene terminologische Jonglagen dienen immer gerne als Ausweis geisteswissenschaftlichen „Könnens“, das sich eben dadurch selbst aus der gesellschaftlichen Debatte hinauskatapultiert. Von daher musste es dem Referenten ein Herzensanliegen sein, seinen etwa 65 für mehr als eine Stunde schutzlos ausgelieferten ZuhörerInnen eine Konkretisierung anzubieten. Dies ist schon im Einladungstext versucht worden:
Ich betrete ein Haus, einen Wohn-Raum. Allein. Die Dialektik des Raumes leuchtet mir sofort ein: Vor mir entfaltet sich eine begehbare begrenzte Weite. Der Erstraum, der physische Raum. Ich beginne zu deuten: Aha, Wohnzimmer, abgenutztes Mobiliar, Typ Gelsenkirchener Barock, gefällt mir nicht. Ich habe gerade eben den gedachten, imaginierten Zweitraum betreten. Dialektik. Gibt es aber ein Anderes, ein Drittes in diesem Raum-Konzept? Ein Vorschlag: Die Dimensionen der Geschichtlichkeit und der Sozialität, insofern sie eine ethische Komponente beinhalten, spielen hier eine Rolle. Trialektik, Öffnung für das Dritte als Anderes. Auch und gerade, wenn ich im Raum allein bin.
Ein Nachdenken auf den Spuren der Ethik vom Haus.
Alles klar? Natürlich nicht. Doch schwebt darüber immerhin eine Idee der drei hermeneutischen Dimensionen des Raumes, der den zweidimensionalen Diskurs von geometrischem und imaginiertem Raum übersteigt. Dieser sog. thirdspace (Edw. Soja) stand im Mittelpunkt des Vortrages, gerade dann, wenn man sich im konkreten (Wohn-)Raum und nicht in einem urbanen Raum befindet. Die dritte Dimension des Räumlichen, sie ist gerade im Haus von der Sozialität bestimmt, von Erlebnissen und Erfahrungen, die z.T. auch narrativ tradiert worden sind und die eine sittliche Relevanz besitzen. Ist das menschliche Dasein tatsächlich, wie M. Heidegger behauptet, durch das Wohnen charakterisiert, dann besitzt das Haus als konkrete Verortung des „In-der-Welt-Seins“ eine fundamentale Dimension des Moralischen: durch Geborgenheit und Beheimatung, die Identität absichern, durch die Sozialität, die bereits in der Beziehungshaftigkeit der Räume selbst sichtbar wird, durch die praktische Autonomie der Raumgestaltung, durch die (Nachhaltigkeits-)Verantwortung des Pflegens und Bewahrens, durch die Narrativität, die aus dem durchlebten Raum (thirdspace) hervorgeht.
Genügend Anhaltspunkte also, um der Oikonomik als Ethik vom Haus ein solideres Fundament zu gießen als das einer Sammlung von Küchenweisheiten.
Prof. P. Dr. Rudolf B. Hein O.Praem., Prämonstratenser und Moraltheologe, hat in Münster und London studiert. Promotion zum Thema „Gewissen in der Renaissance“, Habilitation über die Sparsamkeit als christliches Tugendmodell. Lehrstuhlvertreter an der WWU (2015-16), seit 2015 Dozent an der PTH Münster.